Pilgern in dünner Luft
In Nepal gibt es 259 Personen die mit dem Corona-Virus infiziert sind und keine Toten. Dies berichtete die Zeitung „The Kathmandu Post“ am Freitag (15. Mai) auf ihrer Homepage. „Die Dunkelziffer wird vermutlich deutlich höher liegen“, spekuliert Horst Hahlbohm aus Helzendorf, weil die medizinische Versorgung nicht mit einem westeuropäischen Land zu vergleichen sei. Der pensionierte Lehrer fliegt seit 2002 in unregelmäßigen Abständen nach Katmandu, der Hauptstadt des Himalaya-Staates. Im Laufe der Jahre hat er Freundschaften geknüpft und erfährt so per Email, wie die Lage vor Ort ist. Einer dieser Freunde ist Prem Tamang.
Er ist eine Art Bürgermeister im rund 40 Kilometer von der Hauptstadt Katmandu entfernten Dorf Bhattidanda. Dort, sowie im restlichen Nepal spüren die Menschen die Pandemieauswirkungen. Seit dem 24. März ist das Land im Lockdown. Seit Mittwoch (6. Mai) dürfen sie in Kleingruppen wieder auf die Äcker. Trotz dieser Lockerung stehen die Menschen vor einer großen Herausforderung, denn der Reis müsste dringend in die Erde, weil die Monsunregen beginnen. Ohne die Reisernte droht die nächste Katastrophe.
Auch ohne Corona haben es die Nepalesen schwer. In vielen Dörfern außerhalb der Touristenzentren wie Katmandu, sind die Menschen dankbar für jede (finanzielle) Unterstützung aus dem Ausland. Der von Horst Hahlbohm gegründete Verein Chandaa kümmert sich in Dhulikel um die Schul- und Dorfentwicklung. „Es geht auch um die Frauenbildung“, so der Ex-Lehrer. Für 100 Euro kann dort ein kompletter Näh-Arbeitsplatz eingerichtet werden. „Mit einem solchen Job kann sich beispielweise eine Witwe ernähren“, erklärt Hahlbohm. In Nepal haben Frauen keine Absicherung. „Sie heiraten in die Familie des Mannes“, erklärt der ehemalige Grundschullehrer. Stirbt der Mann, wird die Witwe von der Familie verstoßen und muss sehen, wie sie klarkommt.
Des Weiteren unterstützt der Verein Initiativen vergleichbar den Landfrauen bei uns. So können sich die nepalesischen Frauen organisieren und bekommen Hilfsangebote.
Das Geld überweist der Verein Chandaa an Prem Tamang. Als „Bürgermeister“ sorgt er dafür, dass es bei den Familien und Projekten ankommt. Als einen Beweis schickt er Mails mit Fotos und wenn Horst Hahlbohm zu Besuch ist, wird ihm stolz alles gezeigt.
Das Geld stammt auch aus dem Verkauf von Horst Hahlbohms Reisetagebuch „Erstmal zum Kailash …“. Der Autor beschreibt darin die Schönheiten und Besonderheiten seiner Pilgerreise vor zwei Jahren detailgetreu. Auf 350 Seiten und mit über 500 Bildern bekommt der Leser einen Eindruck von Land und Leute. „Der Pilgerweg ist in Europa nicht so bekannt wie beispielsweise der Jacobsweg“, sagt er. Dies liegt vermutlich auch daran, dass ihn noch kein bekannter Fernsehstar wie Hape Kerkeling gegangen ist. Und mit seiner Lage ist der Rundweg auch nicht „mal eben“ zu bewältigen, obwohl er nur knapp 52 Kilometer lang ist. Wer ihn gehen will, muss körperlich fit sein, denn ein Pass liegt auf über 5600 Meter Höhe. Zum Vergleich: Deutschlands höchster Berg, die Zugspitze ist 2962 Meter hoch. Wer das Buch liest, bekommt die sofort den Film „Indiana Jones und der Tempel des Todes“ vor sein geistiges Auge. Es ist die Rede von der schwarzen Göttin Kali, Shiva, Blutegeln und abenteuerlichen alten Hängebrücken aus Holz über tiefe Schluchten und Flüsse.
Der Ursprung der Pilgerreise liegt im Herbst 2017. Wieder einmal war Horst Hahlbohm in Nepal. Das Land liegt zwischen Indien im Süden und Tibet (China) im Norden. Bekannt ist das es durch seine vielen Tempel und das Himalaya-Gebirge, mit dem Mount Everest dem höchsten Berg der Erde. Katmandu liegt auf rund 1400 Meter Höhe. Dieses Land und seine Einwohner haben es dem Deutschen angetan, „weil sie so nett sind“, wie er sagt. Mit Prem Tamang ist der Helzendorfer 2017 auf den Ngazumba-5-Finger-Berg auf zirka 5500 Meter gestiegen. Da rief Prem Tamang: „Ich war noch nie am Kailash. Es ist noch niemand mit mir um den heiligen Berg in Tibet gegangen.“ Hahlbohms Antwort: „Wir gehen nächstes Jahr zusammen.“
Nach dem letzten Schultag vor den Sommerferien 2018 flog die Lehrertasche für immer in die Ecke. Es wartet der heilige Berg Kailash auf seine Umrundung. Der Berg ist für die Hindus und Buddisten vergleichbar mit dem Tempelberg für die Juden oder dem Petersdom für Christen. Der Kailash befindet sich im westlichen Teil des Transhimalaya im autonomen Gebiet Tibet der Volksrepublik China und seine Höhe beträgt 6 638 Meter. Er hat eine außergewöhnlich symmetrische Form und gleicht einem Kristall oder einer Pyramide. Die ganze Reise dauert drei Monate.
Nach einigen Wochen der Akklimatisierung ging es nun zum heiligen Berg. In einem Reisebüro in Katmandu wurde der Trip gebucht. „Anders ist dies nicht möglich, da wir durch chinesisches Gebiet mussten“, erklärte der 67-Jährige. Die Anreise per Jeep schlug auf den Organismus. „Ich war höhenkrank, weil der Anstieg mit dem Auto zu schnell ging“, so der Pädagoge. Und weiter: „Da ich vorher viel Wasser getrunken und Knoblauch gegessen hatte, war ich nach kurzer Zeit wieder fit. Das ist ein alter tibetanischer Trick.“
Mit Rucksack machten sich die beiden Männer auf den 52 Kilometer langen Weg. „Normale Touristen schaffen die Umrundung mit zwei Übernachtungen. Prem und ich haben nur eine gebraucht“, sagt Horst Hahlbohm stolz. Tibeter schaffen es auch an einem Tag. Sie gehen nachts um drei Uhr los und sind am späten Abend wieder da, berichtet der Warper.
Nach drei Monaten in Asien ging es am 28. September 2018 zurück nach Deutschland. Während der Aufarbeitung der Eindrücke und des Erlebten, entstand das Buch. Zu kaufen ist es für 15 Euro bei Horst Hahlbohm (Email: farm24@gmx.de), bei seinen Lesungen und im Kulinarium Hoya.