Autokino: „Voll darauf abgefahren“
Für mich war es eine Reise unter der Überschrift: Zurück in die Zukunft. Als echter Brokser Junge ging´s nach mehr als 35 Jahren wieder einmal ins Autokino. Treffpunkt war diesmal der Marktplatz Bruchhausen-Vilsen. Das historische Autokinogelände im Flecken wurde vor einigen Jahren in ein Wohngebiet umgewandelt. Angeboten wird das aktuelle Autokino von Schausteller Manuel Recker und den Betreiberinnen des Filmhofs Hoya. Noch bis zum 21. Juni flimmern ab 21.45 Uhr die Filme über die Leinwand. „Wenn es angenommen wird, kann ich mir auch eine Verlängerung vorstellen“, sagte Filmhof-Geschäftsführerin Beate Möller-Dumschat. Maximal 100 Autos dürfen aufs Gelände und Tickets gibt es ausschließlich über die Homepage zu buchen.
Um es vorweg zu nehmen: Autokino ist gerade in Corona-Zeiten ein tolles Angebot. Männer und Frauen kommen mit Abstand mal raus und verbringen einen schönen Abend – mit ungeniert knutschen im Auto. Ob allerdings ein Autokino eine Chance zum Überleben hätte, wenn die Kinos wieder regulär öffnen, mag bezweifelt werden. Zu groß ist der technische Unterschied. Als Event könnte es auch nach Corona funktionieren.
Für viele Menschen unter 40 Jahren war es vermutlich der erste Besuch in einem Autokino. Alle anderen kannten diese Form des Filmschauens aus ihrer Jugend. Dazu gehörte auch Klaus Schwecke: „Ich war 1986 das letzte Mal im Brokser Autokino. Weiß aber nicht mehr welcher Film lief.“ Am Freitag wollte Schwecke „einen schönen Abend verbringen“. Zu sehen gab es „A star is born“.
Bruchhausen-Vilsen war früher ein Mekka des Autokinos (wir berichteten). Zu Topfilmen reihten sich die Wagen vom Ortsteil Berxen bis zur Bundesstraße 6, das sind rund zwei Kilometer. Ganz so lang war die Warteschlange am Wochenende nicht. Sie reichte von der Kreuzung Gasthaus Mügge bis zur Awo. Obwohl ich pünktlich um 20 Uhr da war, musste ich mich ziemlich weit hintenanstellen. Als sich die Tore öffneten, ging der Einlass extrem schnell. Von ungefähr 50. Stelle in der Autoschlange benötige ich nur wenige Minuten bis ich vor der Leinwand stand. Die Tickets mussten vorab im Internet bestellt werden. So entfiel das Bezahlen und die Einlasskontrolle ging flott, da digital abgehakt wurde.
Dann hieß es: Motor aus, Sitz zurückschieben und die prompt kamen Erinnerungen hoch. Als Kind war es für uns das Größte, wenn wir mit der ganzen Familie ins Autokino gefahren sind. Auf dem Rücksitz saßen wir Kinder und schauten Filme wie E.T. oder Pumuckl. Die Autos standen mit der Motorhaube leicht nach oben. So konnte man gut auf die große Leinwand schauen. Die Kinderfilme flimmerten in der dunklen Jahreszeit, weil es rechtzeitig dunkel wurde. Dies hatte den Nachteil, dass es auch kalt war und ein Heizungsgebläse in die spaltbreit geöffnete Fensterscheibe gehängt wurde. Nach spätestens 30 Minuten war die Luft so trocken, dass man husten musste. Auch störte das Propeller-Geräusch den Filmgenuss, sodass man versuchte, möglichst lange im kalten Auto durchzuhalten. Neben dem Gebläse hing der Lautsprecher. Von Dolby Surround war die Technik damals weit entfernt. Entsprechend gespannt war ich auf die 2020er Umsetzung.
Bevor meine Neugier befriedigt wurde, deckte ich mich mit einem Softgetränk und Popcorn ein. Dann mussten die rund 90 Minuten bis zum Filmstart überbrückt werden. Mein Smartphone leistete dafür gute Dienste. Auch in den anderen Wagen wurde so verfahren.
Nachdem die knallrote Sonne hinter den Bäumen verschwunden war, ging´s los. Der Ton kam aus dem Autoradio per UKW-Frequenz. Eine deutliche Steigerung gegenüber der früheren Technik. Abhängig vom Autoradio war es ein Hörgenuss. Das Bild wurde per Beamer auf die Leinwand projiziert.
Vom Feeling her, sind die heutigen Autositze und der Komfort nicht mit dem, der 80er-Jahre zu vergleichen. Entsprechend bequem verfolgte ich den Film. Andere Besucher machten es sich gemütlich, indem sie die Füße aufs Armaturenbrett legten. Wie viele Paare geknutscht haben, war im Schutze der Dunkelheit nicht zu ermitteln. Kurz nach Mitternacht ging es nach einem kurzweiligen Abend wieder nach Hause.
Seit spätestens Mitte der 1990er-Jahre war das Autokino in Deutschland tot. Bis vor wenigen Wochen hätte vermutlich niemand einen Cent darauf gewettet, dass das Relikt aus dem späten 20. Jahrhundert wie Phoenix aus der Asche aufersteht. Laut Filmhof-Geschäftsführerin Beate Möller-Dumschat sind die Leute „voll darauf abgefahren.“ Viele Filme seien ausverkauft gewesen. „Wenige Stunden nach dem Veröffentlichen des Programms waren für alle Tage Reservierungen da“, freute sich Möller-Dumschat. Im Gegensatz zu früher, wo man am Autokinotag (Preis pro Auto, statt pro Person) möglichst viele Personen ins Auto gequetscht hatte, sind heute drei Menschen aus einem Hausstand optimal, um den Film gut sehen zu können.
Hier gibt es die Tickets zu buchen:
Filmhof Hoya